Ich habe gerade den zweiten Teil von "Zeit zum Überleben", "Zukunft" abgeschlossen.
Und die Frage, die mich u.a. in Bezug auf Jessy beschäftigt hat, lautet:
Wie umgehen, wenn man tief verletzt wurde?
Natürlich kann man mit einem Blogbeitrag so eine Frage nicht umfassend beantworten.
Aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, meine Gedanken darüber weiterzugeben, die auch ein wenig in diesem Buch mitschwingen.
Jessy ist verletzt worden, vor vielen Jahren, und sie ist noch bis in die Gegenwart davon "gefesselt", sie wird nicht frei davon, hat ein Trauma.
Wie so oft wurde eine Verletzung zugefügt, und niemand hat sich anschließend entschuldigt oder man hat sich wenigstens darüber ausgesprochen. Beides hätte das Trauma, das Jessy so viele Jahre plagte, zumindest gelindert. Aber ihr persönlicher Albtraum - in Gestalt von Jean-Claude - begegnet ihr erst einige Jahre später wieder. Inzwischen hat sich alles festgefahren und die Zeit hat leider keine Wunden geheilt.
Manches klärt sich durch ein Gespräch der beiden auf, aber die Verletzung von Jessy sitzt so tief!
Selbst das kann nichts mehr ändern, Wut und Angst haben sich tief in Jessys Herz eingegraben.
"Du hast mein Leben zerstört!", klagt Jessy ihn an - und die Zerstörung hält immer noch an, das ist das Traurige daran. Genau wie so oft im echten Leben!
Jean-Claude erkennt, wie tief er Jessy verletzt hat, und - das passiert leider auch nicht oft in der realen Welt - erklärt er in aller Ehrlichkeit: „Es tut mir leid, Jessy.“
„Das hilft mir jetzt auch nichts mehr“, antwortet Jessy und das Drama wird offensichtlich.
Und auf die Frage von Jean-Claude: „Was würde dir denn helfen? Wenn du mich verprügelst? Wenn du deine Pistole ziehst und mich erschießt?“ wird Jessy klar, dass selbst das nur ein wenig Zorn nehmen, aber nicht das Trauma ausradieren würde.
Genau in diesem Dilemma stecken manche Menschen: Sie wurden verletzt und nichts, aber auch gar nichts kann den entstandenen Schaden wiedergutmachen. Und vorallem angesichts der Tatsache, dass der Täter oft keine aufrichtige Entschuldigung ausspricht.
Was dann tun? Wohin mit der Wut? Mit der Verletztheit? Dem Schmerz?
Der Macke, die man nicht mehr los wird?
Eine Aussprache direkt nach dem Geschehen würde zumindest in vielen Fällen Linderung bringen, aber diesen Luxus gibt es oft nicht. Falls Du Täter sein könntest, egal wie klein Deine Tat ist, denk daran: Lieber ein paar mehr klärende Worte zu sprechen als stumm zu bleiben! Selbst wenn der Verletzte nur mit Zorn reagiert, hilft ihm das oft: Die Wut über das Erlebte dem Täter entgegenzuschreien.
Es mag sicher andere Lösungsansätze geben, aber ich selbst kann nur von einer Sache berichten, die mir persönlich bereits in einigen solcher Lagen geholfen hat: Vergebung.
Oh, ich weiß! Das klingt gar nicht nach einer Lösung und vielleicht macht Dich dieses eine Wort sogar richtig wütend, aber lass mich das erklären:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mich selbst von der Tat, dem Täter und den Folgen löse, wenn ich das tue. Es ist, als ob ich ein Seil durchtrenne, dass mich an diese Verletzung, an diese Tat, fesselt. Womöglich war das Gottes Idee daran, dass Verletzte heilen und weiterleben können, der Schaden nicht kontinuierlich anhält, Opfer nicht in ihrer Opferrolle bleiben müssen.
Die meisten haben schon bei anderen erlebt, dass Verletzungen, die zugefügt wurden, wie offene Wunden sein können, die nie heilen und immer weh tun, wenn man bloß daran denkt, geschweige denn daran erinnert wird. Aber das muss nicht so sein.
"Das könnte ich nie! Dem vergeben!", schreist Du jetzt womöglich innerlich laut auf.
Und ja, allein kriegen wir das nicht hin. Dazu brauchen wir schon göttliche Hilfe.
Ich habe es so gemacht: In meiner Vorstellung zu Gott zu gehen,
(oder für Dich, wenn Dir das mehr liegt: direkt in einer Kirche vor einem Altar, oder in einer quasi umgekehrten Beichte in einem Beichtstuhl)
Gott meinen Schmerz laut oder in Gedanken entgegenzuschreien, die erlebte Ungerechtigkeit, die Kränkung...(Du kannst sie ja evt. auch einem Pastor oder guten Freund anzuvertrauen)
und Gott um Hilfe bitten.
"Gott, verbinde meine Wunden, lass mich wieder heil werden."
Was dafür nötig ist? Jetzt wird es hart: Dem Menschen vor Gott zu vergeben - und das heißt nicht, seine Tat klein zu reden, oder lapidar zu entschuldigen. Oft habe ich diesen Schritt nicht direkt geschafft, sondern quasi eine Vorstufe, die in etwa so lautet: "Gott, ich gebe Dir mein Recht auf Rache ab. Du siehst, wie unrecht mir getan wurde, schaffe mir Recht, heile meine Wunden."
Und dann ist das Wunder geschehen: Die Verletzungen sind geheilt. Ich war nicht mehr in diesem Trauma gefangen. Ich konnte dem den Rücken zukehren und mein Leben wieder weiterleben. Das Nachlassen der Macken, die man davongetragen hat, die Unbeschwertheit, kommt manchmal erst nach einiger Zeit. Es ist ein Weg, auf den man sich begibt: Mit der Vergebung dreht man sich um und startet in seine Zukunft. Irgendwann ist es dann so, als wenn man auf eine alte Verbrennung schaut: Ja, da ist die Narbe. Ich weiß, was geschehen ist, aber es tut nicht mehr weh. Ich kann sogar draufdrücken: Der heiße, kaum auszuhaltende Schmerz ist völlig weg.
Und das, genau das, wünsche ich Dir von Herzen, wenn Du verletzt wurdest und leidest!
Ich hab Dir meinen Weg erzählt, aber helfen lassen musst Du Dir von Gott. Nur er kann dieses Wunder tun und es für mich nach wie vor ein Wunder, dass das so funktioniert. Und darin sieht man auch Gottes Liebe: Er möchte nicht, dass Du gefesselt, traumatisiert und leidend bleibst. Er hat Jesus geschickt, und Dir damit für immer eine helfende Hand entgegengestreckt. Ergreif seine Hand, lass Dir helfen, Du bist nicht mehr allein.
Lara Greystone
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Zum ersten Mal denke ich darüber nach.